

Z A H N A E R Z T E K A M M E R . A T
ÖZZ Ausgabe 4/2024
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D I V E R S E S
KREIDEZÄHNE
KREIDEZÄHNE
Diagnostik und Therapie der Molaren-
Inzisiven-Hypomineralisation
DieMolaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH), umgangs-
sprachlich auch alsKreidezähne bekannt, hat inder (Kinder-)
Zahnmedizinmittlerweile eine erhebliche klinische Bedeu-
tung erlangt und scheint inbestimmtenAltersgruppen sogar
häufiger aufzutreten als Karies. Betroffene Molaren zeigen
unterschiedlich stark ausgeprägte Schmelzdefekte, die in
Kombination mit möglichen Überempfindlichkeiten für be-
troffeneKinder teilweise erheblicheBeeinträchtigungenmit
sich bringen. Dies kann die Mundhygiene erschweren und
die Kauaktivität reduzieren. Befallene Inzisiven können zu
ästhetischen Einschränkungen führen.
Ziel dieses Beitrags ist es, einenÜberblick über das klinische
Erscheinungsbild derMIH, die Ätiologie, die Diagnostik und
rezente Therapieansätze zu geben.
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Erscheinungsbild
Offiziell gibt es denTerminus „Molaren-Inzisiven-Hypomineralisa-
tion“ seit etwasmehr als zwei Jahrzehnten [1].Weerheijmet al. be-
schrieben 2001 eine systemisch bedingte Hypomineralisation des
Schmelzes bei der ein bis vier bleibenden erstenMolaren betroffen
sind sowie ggf. die Inzisiven (Abb. 1, 2). Diese fehlstrukturierten
MIH-Zähne zeichnen sich klinisch durch eine Veränderung in der
Farbe des Schmelzes in Form unterschiedlich stark eingefärbter
Opazitäten aus. Bei denMolaren ist ein heterogenes Erscheinungs-
bild möglich: die Mineralisationsstörung kann auf einzelne Be-
reiche beschränkt sein, das Fissurenrelief einbeziehen oder sich
über die gesamte Glattfläche erstrecken [2]. Bei den Inzisiven ist
die Mindermineralisation in der Regel bukkal zu finden.
Je nach Hypomineralisationsgrad kann es durch den Einfluss
von Kaukräften bereits schnell nach dem Zahndurchbruch der
betroffenen Zähne zu einemEinbruch dermindermineralisierten
Areale kommen. Neben diesen klinisch gut sichtbaren Charak-
teristika stellen zudem Überempfindlichkeiten der betroffenen
Zähne auf thermische, chemische oder mechanische Reize mit
unterschiedlichen Ausprägungsgraden ein wiederkehrendes
Begleitsymptom dar. Insbesondere der Symptomenkomplex
aus Schmelzeinbrüchen und Hypersensibilitäten kann zu Ein-
schränkungen in derMundhygiene, der Funktionalität und auch
der Behandlungsfähigkeit führen.
Prävalenz und Ätiologie
Die MIH ist weltweit vorkommend [3]. Derzeit wird von einer
durchschnittlichen Prävalenz von 13 - 14 % ausgegangen. Für
Österreich sind momentan nur Daten aus zwei regionalen Stu-
dien verfügbar: Salzburg/ Tirol (10,9 %) und Graz (7,0 %) [4, 5].
In Deutschland sind nach Angabe der letzten DeutschenMund-
gesundheitsstudie sogar 30 % der 12-jährigen betroffen [6].
Die Frage nach den möglichen Ursachen der MIH beschäftigt
nicht nur die Eltern der betroffenen Kinder, sondern auch die For-
schung. Diese sind unbefriedigenderWeise immer noch nicht ab-
schließend geklärt [7, 8]. Aufgrund des zeitlich gemeinsamenAb-
laufs der Amelogenese in der ontogenetischen Entwicklung von
Molaren und Inzisiven, geht man von einer Zahnentwicklungs-
Abb. 1
MIH-Patient mit einem betroffenen Molaren im OK. Zahn 26
zeigt eine Hypomineralisation in Form weißlich-gelblicher Opazitäten.