

Z A H N A E R Z T E K A M M E R . A T
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ÖZZ Ausgabe 4/2024
D I V E R S E S
KREIDEZÄHNE
störung zwischen dem8. Schwangerschaftsmo-
nat und dem 4. Lebensjahr aus. Diskutiert wird
ein multifaktorielles Geschehen. Prä-, peri- und
postnatale Einflüsse (in den ersten Lebensjahren)
sind möglich [9, 10]. Dazu zählen: Probleme im
letztenMonat der Schwangerschaft, Frühgeburt,
häufige Erkrankungen in den ersten vier Lebens-
jahren, Durchfallerkrankungen, Fieberzustände
und respiratorische oder bläschenbildende Er-
krankungen. Da das Zeitfenster der Bildung der
betroffenen Zähne größtenteils postnatal liegt,
wird den nachgeburtlichen Einflüssen die größte
Bedeutung zugemessen.
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Eine MIH kann unter Zuhilfenahme der folgenden Kriterien (Eu-
ropeanAcademy of Paediatric Dentistry) an einemZahn diagnos-
tiziert werden [11]: Vorliegen einer begrenzten Opazität (Abb. 3),
posteruptiver Schmelzeinbruch (Abb. 4), atypische Restauration
oder atypische Extraktion. Atypische Restaurationen können
in Betracht gezogen werden, wenn ihre Größe und Form nicht
dem aktuellen Bild der Zahnkaries entsprechen. Als verdächtig
für eine Extraktion aufgrund von MIH gelten z. B. gleichzeitige
Opazitäten oder atypische Restaurationen an anderen ersten
Molaren oder Schneidezähnen.
Wie bereits eingangs erwähnt, ist das klinische Bild derMIH sehr
variabel. Für eine Klassifikation in Schweregrade erweist sich
das ‚Würzburger Konzept‘ als hilfreich, da es zudem auch nach-
gereiht Therapievorschläge anbietet [12]. Der Index differenziert
in vier Schweregrade:
Index 1 Opazität vorhanden, kein Schmelzeinbruch, keine
Hypersensibilität
Index 2 Schmelzeinbruch
Index 3 Opazität vorhanden, Hypersensibilität
Index 4 Schmelzeinbruch und Hypersensibilität
Therapieansätze
Je nach vorliegendem Schweregrad der MIH erstreckt sich die
zu favorisierende Therapie von der Prophylaxe bis hin zu restau-
rativenMaßnahmen oder sogar der Extraktion [13]. Dabei sollte
jedes Kind, unabhängig vom MIH-Schweregrad engmaschig in
einem Intensivprophylaxe-Programm betreut werden.
Das Prophylaxe-Programmumfasst regelmäßige professionelle
Mundhygienesitzungen sowie die Verwendung von Fluoridprä-
paraten. Zudem können häuslich neben der Nutzung von fluo-
ridierter Zahnpasta auch zusätzlich CPP-ACP-haltige Produkte
angewendet werden [14].
ImRahmen der restaurativenTherapie eignen sich Glasionomer-
zemente ideal zur initialen und provisorischen Abdeckung von
durchbrechendenMIH-Zähnen, umweiteren Zahnhartsubstanz-
verlust zu vermeiden. Ihre einfache Handhabung erleichtert die
Anwendung besonders bei eingeschränkter Kooperation des
Patienten. Aufgrund niedriger Biegefestigkeit und minimaler
Abrasionsstabilität kann das Material aber nicht als definitives
Restaurationsmaterial für MIH-Molaren gewertet werden, da
besonders bei großflächigen, höckerersetzenden Bereichen
keine adäquate Stabilität gewährleistet ist. Die Aufgabe eines
definitiven Restaurationsmaterials übernehmen Komposite.
Die Materialklasse zeigt bei exakter Verarbeitungsweise eine
gute Überlebensrate [15]. Bei großen Defekten kann für den
Erhalt von betroffenen Molaren als Therapieoption alternativ
evtl. auch die Eingliederung einer konfektionierten Stahlkrone
als Langzeitprovisorium in Betracht gezogen werden [16]. Im
späteren jugendlichen Alter des Patienten können auch eine
indirekte, laborgefertigte Restauration eingesetzt werden [17].
Es ist jedoch hervorzuheben, dass diese Form der Behandlung
mit einemerheblichen klinischen und labortechnischenAufwand
einhergeht, der immer von der Kooperation des Kindes abhängt.
Abb. 2
Frontzähne eines MIH-Patienten. Zahn
21 weist eine abgegrenzte Opazität auf.
Abb. 3
MIH betroffener
OK-Molar mit Opazität.
Abb. 4
MIH betroffener OK-Molar mit
posteruptivem Schmelzeinbruch.