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Z A H N A E R Z T E K A M M E R . A T

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ÖZZ Ausgabe 4/2024

A M T L I C H E M I T T E I L U N G E N 

FORDERUNGSKATALOG

Hintergrund:

In Hinblick auf die bevorstehenden Verhandlungen über ein Ko-

alitionsabkommen für die nächste Legislaturperiode weist die

Österreichische Zahnärztekammer auf zahlreiche Defizite bei

der kassenzahnärztlichen Versorgung der in Österreich leben-

den Menschen hin. Als gesetzliche Interessensvertretung aller

Zahnärzt:innen inÖsterreich sowie zumWohle der Patient:innen

erachten wir es als unsere Aufgabe, bestehende Defizite auf-

zuzeigen und konkrete Verbesserungsvorschläge vorzulegen,

damit die künftige Bundesregierung zielgerichteteMaßnahmen

zur Sicherstellung einer niedrigschwelligen kassenzahnärzt-

lichen Versorgung setzen kann.

Primärversorgungseinheiten (PVE) sind ein wesentlicher Bau-

stein der ambulanten Versorgung der Zukunft in Österreich.

Bislang bestehen jedoch zahlreiche Einschränkungen, welche

(zahn-)ärztliche Fachgruppen Teil eines PVE sein können. Im

Sinne einer effektiven Primärversorgung fordert die Öster-

reichische Zahnärztekammer eine Anpassung des Primärver-

sorgungsgesetzes. So bedarf eine bestmögliche Primärversor-

gung aller in Österreich lebender Menschen die Schaffung von

zahnmedizinischen PVEs, inwelchen die verschiedenen (zahn-)

ärztlichen Fachrichtungen gemeinsammit anderen Berufenwie

Logopäd:innen oder Physiotherapeut:innen zusammenarbeiten,

und dieAufnahme von Zahnärzt:innen in allgemeinmedizinische

sowie pädiatrische PVEs. PVEs stellen eine moderne Zusam-

menarbeitsform dar, welche in Hinblick auf die Vereinbarkeit

von Familie und Beruf auch von Jungzahnärzt:innen in Anspruch

genommen werden wird. Um die Zukunft der niedergelassenen

zahnmedizinischen Versorgung in Österreich nachhaltig abzu-

sichern bedarf es darüber hinaus weitere Maßnahmen. Einer-

seits leiden auch Zahnärzt:innen unter den steigenden Mieten,

doch anders als andere Unternehmen können diese keinen Vor-

steuerabzug geltend machen, was sie wiederum als „schlechte

Mieter:innen“ erscheinen lässt. Insofern ist eine Einführung des

Vorsteuerabzugs durch eine Novelle des Umsatzsteuergesetzes

dringend geboten. Andererseits bedarf es einer Aufstockung

der Studienplätze für Zahnmedizin sowie eine Wiedereinfüh-

rung einer Quote für Personen mit österreichischer Studien-

berechtigung, da in den kommenden zehn Jahren knapp 46%

der österreichischen Zahnärzt:innen ihr Pensionsantrittsalter

erreichen werden.

Die Österreichische Zahnärztekammer unterstützt das wesent-

liche Ziel der Gesundheitsreform 2023/24 – nämlich die Stär-

kung des niedergelassenen kassen(zahn)ärztlichen Bereichs –

ausdrücklich. In den vergangenen zehn Jahren ist die Anzahl an

Kassenzahnärzt:innen um9%zurückgegangen, während jene an

Wahlzahnärzt:innen umden gleichen Prozentsatz zugenommen

hat. In diesem Sinne sollte ein Teil der EUR 300 Mio, welche

der Sozialversicherung pro Jahr zusätzlich vom Bund zur Ver-

fügung gestellt werden, für die Aufnahme zahnprophylaktische

Maßnahmen ab dem Durchbruch des ersten Milchzahns in den

Gesamtvertrag verwendet werden. Generell sollte der Fokus

mehr auf der vertragszahnärztlichen Versorgung und Prävention

anstelle von reiner Krankenbehandlung gelegt werden, da dies

mittelfristig zu großen Einsparungseffekten bei der Kranken-

versicherung führen würde. Dies betrifft natürlich auch die von

der medizinischen Fachwelt seit Jahren geforderte Aufnahme

der Zahnmedizin in den Eltern-Kind-Pass. Im Rahmen der bis

2026 umzusetzenden Digitalisierung des Eltern-Kind-Passes

muss diese Aufnahme nun erfolgen.

Aus Sicht der Österreichischen Zahnärztekammer hat die ver-

gangene Gesundheitsreform jedoch auch Wege eingeschlagen,

die korrigiert werden müssen. So muss einer Konzernisierung

des österreichischen Gesundheitssystem jedenfalls Einhalt ge-

botenwerden. Daher sollte imAllgemeinen Sozialversicherungs-

gesetz festgeschrieben werden, dass die gesetzliche Kranken-

versicherung bei der Vergabe von Kassenstellen freiberuflich

tätigen (Zahn-)Ärzt:innen Vorrang zu gewähren hat. Anders als

bei freiberuflich tätigen (Zahn-)Ärzt:innen gibt es für Ambula-

torien keinen Gesamtvertrag, weshalb einzelne Ambulatorien

niedrigere Preise anbieten können, was sich negativ auf die Qua-

lität der Behandlung und somit die Patient:innen auswirkt. Um

dieser Entwicklung entgegenzuwirken, soll daher die gesetzliche

Krankenversicherung beauftragt werden, einen Gesamtvertrag

fürAmbulatorien abzuschließen. Bei der Erstellung des Österrei-

chischen Strukturplans Gesundheit (ÖSG) sowie den Regionalen

Strukturplänen Gesundheit (RSG), welche die Verteilung der

Vertragsstellen festlegen, wird auf die Expertise der Österrei-

chischen Zahnärztekammer gänzlich verzichtet, obwohl wir das

Bindeglied zwischen Politik und den Berufsangehörigen sind,

welche genau diese Stellen besetzen sollen. Aus diesem Grund

fordert die Österreichische Zahnärztekammer eine Einbindung

in diese Prozesse durch die Einräumung eines Stimmrechts für

die Österreichische Zahnärztekammer in der Bundes-Zielsteue-

rungskommission sowie der Landeszahnärztekammern in den

jeweiligen Landes-Zielsteuerungskommissionen.

Österreichwar bis vor 15 Jahren ein Vorreiter der Digitalisierung

des Gesundheitssystems, doch seit mehreren Jahren herrscht

Stillstand. Daher fordert die Österreichische Zahnärztekammer

eine Neugestaltung der ELGAhin zu einer tatsächlichen digitalen

Gesundheitsakte. Zwar existiert seit 2024 eine österreichischen

eHealth-Strategie, dochwurde dieser Prozess zumwiederholten

Male ohne Einbindung der Stakeholder absolviert, obwohl gera-

de unsereMitglieder dieseMaßnahmen in denOrdinationen und

mit den Patient:innen umsetzenmüssen. Auch deswegen bedarf

es der Einräumung eines Stimmrechts für die Österreichische

Zahnärztekammer in der Bundes-Zielsteuerungskommission,

wo genau diese Entscheidungen getroffenwerden. DesWeiteren

muss über Alternativen zu eCard als Zugangsschlüssel zur ELGA

debattiert werden, um die Akzeptanz und Nutzer:innenfreund-

lichkeit der ELGA zu verbessern. Zudem sollten digitale Erin-

nerungsfunktionen entwickelt werden, welche die Ausweitung

von Präventionsmaßnahmen nachhaltig unterstützen können.